Ein Beitrag von Solveig Hoffmann. Ärztin und Ehren-Master Teacher der CANTIENICA®-Methode
CANTIENICA®-Übungen trainieren immer auch die Faszien
In Kursen und Ausbildungen taucht jetzt immer wieder die Frage auf, ob die CANTIENICA®-Methode die Faszien integriert. Seit einiger Zeit wird in vielen Bewegungsmethoden das Thema Faszien angesprochen und einbezogen. Was ist damit gemeint?
Faszien sind Bindegewebe. Strukturen aus Bindegewebe, die Muskeln umgeben, durchdringen, verbinden, zu und durch Knochen ziehen, Gefäße, Nerven und Organe umweben, durchweben. Alles ist mit allem verbunden.
Benita Cantieni hat in ihrer Methode von Anfang an Vernetzung als ein Basiselement in ihren Bewegungsübungen angesprochen. Muskeln vernetzen sich über weite Strecken, vernetzen sich untereinander, vernetzen sich mit Sehnen und Knochen. In jeder CANTIENICA®-Übung wird das ganz aktiv angeregt, und mit der Zeit nimmt das Bewusstsein des Übenden für diese Vernetzung immer mehr zu.
Es waren die Manualtherapeuten, die den Impuls gaben und auch die ersten Schritte machten, die Faszien naturwissenschaftlich zu erforschen. Sie kommunizierten schon seit Jahrzehnten mit ihren Händen mit einer Gewebeart im Menschen, das den meisten Bewegungsmethoden nebensächlich erschien.
Als sie mit dieser Forschung anfingen, kam eine andere Anatomie heraus als bisher. An der Vorderfront, an der Rückfront und an den Seiten des Körpers (auch noch an vielen anderen Strecken im Körper) wurden Strukturen präpariert, die zusammenhängend über die ganze Körperlänge reichten. Genannt wurden sie myofasziale Leitbahnen (trains). Das Vereinzeln der Muskeln hörte auf. Es ging sogar soweit, das ein Denken in einzelnen Muskeln überhaupt in Frage gestellt wurde.
Als diese Erkenntnisse in die Bewegungsforschung einflossen, wurde versucht, diese Strukturen gezielt anzusprechen. Es wurden dehnende Bewegungen entlang dieser Leitbahnen kreiert.
Ein anderer durchschlagender Punkt in dieser Forschung ist der sogenannte Katapulteffekt. Bewegungsenergie speichern und wieder frei geben, – das war eine Revolution im Bewegungsdenken. Muskeln können das gar nicht alleine, was wir beim Laufen machen. Ein elastisch federnder Gang oder Lauf braucht dieses Laden und Entladen der Sehnen und Faszien zusätzlich zur Muskelkraft.
Training im Hinblick auf Faszien beachtet folgende Punkte:
Erwärmung (leichte Erhöhung der Körpertemperatur),
dehnende Bewegungen,
Achtsamkeit statt mechanischem Bewegen,
weiche fließende Übergänge in den Bewegungsabläufen,
Wechsel zwischen stärkeren Bewegungsreizen und Entspannungspausen.
Alle diese Elemente werden schon immer im CANTIENICA®-Training beachtet und in allen Ausbildungen unterrichtet. Auch die Dehnung der großen myofaszialen Leitbahnen kommt in jeder Trainingseinheit vor.
Persönliche Gedanken in diesem Zusammenhang
Faszien und Aufspannung:
Die Vernetzung ist in der Aufspannung viel aktiver und wirksamer als ohne Aufspannung. Ein anschauliches Bild: eine gut gebügelte Tischdecke liegt glatt auf einem Tisch. Jemand greift mit zwei Fingern an einer Stelle eine bisschen Stoff und zieht ihn nach oben, vom Tisch weg. SOFORT – ohne jede zeitliche Verzögerung – wird die Decke überall bewegt.
Liegt die Decke ungebügelt lasch zusammengeknüllt auf einem Haufen, und jemand zieht ein bisschen, hebt sich eine Falte ab, der Rest bleibt wie er ist.
Zur Vernetzung muss die Aufspannung dazu kommen. Sonst hat sie keinen „ganzheitlichen“ Sinn. Finde ich. Das ist das spezifische am CANTIENICA®-Faszientraining.
In meinen ersten CANTIENICA®-Jahren hatte ich ein einschneidendes Erlebnis mit einer jungen Frau. Ich erzähle es oft, da es so überzeugend ist.
Plattfüsse schon immer. Die ganze Kindheit hindurch viel Krankengymnastik wegen dieser ausgeprägten Plattfüsse. Die Füße blieben platt. Als wir mit CANTIENICA®-Fußübungen anfingen, sagte die Frau bei jeder Übung, dass sie die schon kenne und jahrelang machen musste. Das stimmte natürlich nur teilweise. Vielleicht ähnelten sich die Bewegungen, die sie mit den Füssen machte, aber die Ganzkörperhaltung war neu und die kleinen wichtigen Details in den Übungen. Sie verstand die Aufspannung gut, und ich glaube, das war ihr viel wichtiger als die ewigen Fußübungen. Sie machte also weiter. Als sie nach zwei Wochen aus dem Pool kam, barfuss, konnte sie ihren Fußspuren kaum glauben. Sie zeigten ein deutliches Gewölbe. Warum hatten diesmal die Übungen geholfen? Wir waren ja beide überrascht und glücklich. Es war die Aufspannung, die die körperweite Vernetzung aktivierte und die armen Füße ins Gesunde des Gesamtsystem eingliederten.
Aufspannen kann ich mich nur, wenn ich mit meinem Bewusstsein wenigstens ein bisschen über die Körpergrenze hinaus gehe.
Wenn es jetzt auch naturwissenschaftlich klar ist, dass im Körper alles mit allem verbunden ist – nicht nur Muskeln, Sehnen, Faszien, Knochen – auch Organe, Haut Nervensystem, müssen wir aufhören, lokal zu denken und zu behandeln. Auch in Therapieformen und in der Medizin. Das Wort ganzheitlich ist schon lange ein Modewort. Doch meist ohne wirkliche Bedeutung.
Solveig Hoffmann Master Teacher der CANTIENICA®-Methode
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Solveig Hoffmann wurde 1955 in Deutschland, Oberpfalz geboren. Aufgewachsen in Bamberg und Umgebung, Medizinstudium in Marburg. Klinische und ambulante Tätigkeit in den Fächern Chirurgie, Innere Medizin, Homöopathie, Frauenheilkunde, Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde. Weiterbildung zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Oberärztin unter Chefarzt Dr. med. Hemmerich in Germersheim danach Kassenarztpraxis in Germersheim. Seit 2002 auf den kanarischen Inseln. Zuerst Lanzarote, seit 2007 Teneriffa im Centro de Salutogenesis Eridanos. Seit 2005 CANTIENICA®-Instruktorin. Ab 2010 als Ausbildnerin der CANTIENICA®-Methode und seit 2012 Master Teacher.
Solveig Hoffmann ist die Autorin des Buchs “Aufrichtig Aufrecht, Körperstruktur und Bewegung – Grundlagen der CANTIENICA®-Methode” welches diese Tage in der zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage erschienen ist – inklusive neuem Kapitel zum Thema ‘Faszien’.
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