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CANTIENICA®-Blog

Tag 8: Sonntag in und Abreise aus Kigali

Die Nacht in Kigali nach der Nacht der Stille in Uganda: Laut und lärmig. Ab morgens um sechs erschallt das Lob des Herrn aus allen Kirchen, und es gibt viele Kirchen in Ruanda. Vor dem Genozid hatte der Katholizismus die meisten Anhänger/innen. Katholische Kirchenführer machten im Bürgerkrieg aktiv mit, hetzten die mehrheitlich katholischen Hutu gegen die nicht christlich organisierten Tutsi auf und “sanktionierten die Verbrechen moralisch”, heisst es auf einer Wiki-Seite.

Nach dem Massaker fingen charismatische Gruppen und Erweckungskirchen die verstörten Menschen auf. Heute bezeichnen sich rund 38 % der Ruander als Adventisten. Vertreten sind Anglikaner, Presbyteraner, Methodisten, Baptisten. “Nach dem Genozid waren die amerikanischen Freikirchen sehr schnell im Land und packten ihre Chance”, erklärt Deirdre in ihrer robusten Art. “Das Boarding House gleich da unten hat George W. Bush bezahlt.” Mehrere hundert Kinder leben in dem riesigen Internat – und singen.


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Bei den Fahrten über Land sah ich Hühnerställe, die als irgendeine Kirche angeschrieben waren.

Auf den Strassen sehe ich am Samstag und am Sonntag viele herausgeputzte Kirchgänger. Männer in Anzügen und polierten Schuhen, Frauen in dramatischen Paillettenkleidern und hochaufgetürmtem Kopfputz. Es ist anzunehmen, dass die Kirchen kostenloses Singvergnügen, soziale Begegnungen und aktives Dating ermöglichen.

Nach 1994 konvertierten viele Ruander zum Islam, “der Trend hält an”, so Deirdre Summerbell. Moscheen, türkis und manchmal mit einem Spurenelement Gold bemalt, fallen im Stadtbild auf.

Der geistliche Gesang ist also immer da, von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang. Es hallt aus Schulen und Internaten und Kindergärten und Kirchen. Am Sonntag wird die Lautstärke ein paar Dezibel aufgedreht.


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tag8

Am Nachmittag verhallt die Gottesverehrung abrupt, bald gellen jene Geräusche durch den Wind, die nur Männerkehlen weltweit produzieren können, wenn in einem anscheinend wichtigen Spiel ein Fuss den Ball ins richtige Tor schiesst. Das gesangsstrapazierte Ohr freut sich über die Abwechslung.

CANTIENICA®-Lektion mit Deirdre und Tränen.  Einmal mehr erlebe ich staunend, was diese Arbeit aus der Knochenintelligenz auslösen kann, gerade bei Menschen, die meinen, sich und ihren Körper gut zu kennen, eine subtile Wahrnehmung zu haben. Eine Mikrorotation da, etwas mehr Länge dort, hier ein Weiten, da ein Dehnen, und die Knochenwelt gerät aus den Fugen. Körperschleusen öffnen sich und holen an die Oberfläche, was doch so gut versteckt war, dass es sich der Aufmerksamkeit entziehen konnte.

Hübsche Bohnen aus den getrockneten Hülsen schälen. Import aus der Schweiz, dunkelrot mit kalligraphisch anmutenden Zeichen in Weiss, Rührei auf Toast mit Tomaten, und dann ist der Moment des Abschieds da. Deirdre fragt mich, ob ich mich freue, abzureisen. Ich bin hin und her gerissen. Die Begegnungen mit den Menschen, die so mutig mit ihrer eigenen schrecklichen Vergangenheit umgehen, hat mich tief berührt. Ich habe Geschichten gehört, die das Blut in meinen Adern gefrieren liessen, die mir den Schlaf stahlen, Geschichten von unvorstellbarer Grausamkeit. Geschichten, die ich Ihnen nicht erzählen konnte, weil mir die Worte dafür fehlen, Geschichten, die ich mit diesen liebenswürdigen, offenherzigen, grosszügigen, dankbaren, fleissigen Menschen nicht verbinden kann.

Der Abflugraum ist ein Rohbau-Fragment von dem, was der Kigali-Flughafen werden will. Es geht chaotisch zu, ich werde mit meinem Koffer, es ist gottseidank nur noch einer, treppauf, treppab gejagt. Die Zöllner haben Laune, die Ausfuhr von ungebrauchten Batterien, die eine Woche zuvor problemlos eingeführt werden konnten, zu kassieren. Das bringt einen Geschäftsmann, der oft hierher kommt, in Rage, die ihm allerdings nichts nützt. Rein gar nichts.

Dreimal Security Check, dreimal aus den Schuhen, dreimal den Computer auspacken, dreimal die Handtasche öffnen, alles auf gefühlten 20 Metern, dann sitze ich im Flieger nach Nairobi, von da geht es mit  einer Swiss-Maschine zurück nach Zürich. Es ist ein kaltes, graues Zürich. Für einen Augenblick sehne ich mich nach Ruanda zurück.

kuh
grenzuebergang

selfi
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